Daniel Lachenmeir - Journal - SS2011
   
 
  ADDIE vs. Rahmenkonzeption der systemtheoretischen Didaktik

 

 

ADDIE vs. systemtheoretische Rahmenkonzeption


Warum eigentlich Instructional Design? Dazu kann man doch auch Didaktik sagen, oder? Der nachfolgende Text bietet eine mögliche Antwort auf diese Frage, indem er die ADDIE- Rahmenkonzeption mit dem Planungsmodell der systemtheoretischen Didaktik vergleicht. Zuerst sollen Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede erklärt werden. Anschließend wird gezeigt werden, inwiefern sich beide Ansätze ergänzen könnten und schlussendlich werden, der Übersicht halber, die SWOTs beider Modelle ergänzt.

Beginnen möchte ich mit einer eigentlich offensichtlichen Gemeinsamkeit. Obwohl beide Modelle ihrer Herkunft nach aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen stammen, dienen sie dazu Unterricht, oder eben Lernumgebungen, zu konstruieren. Die Systemtheorie hilft dabei, diese komplexen Systeme verstehbar und bearbeitbar zu machen. Dass beide Modelle einen systematischen Aufbau (z.B. haben beide Modelle aufeinanderfolgende Planungsphasen) besitzen, gestaltet einen Vergleich umso leichter.Auch ermöglicht er „Anfängern“, die wenig Erfahrung mit der Planung von Unterricht bzw. Lernumgebungen haben, sich Schritt für Schritt, nach „Bauplan“, ein ordentliches Ergebnis zu konstruieren. Allerdings findet man nicht nur äußerlich Gemeinsamkeiten der beiden Modelle. Auch im Kern gibt es Elemente, die sowohl im ADDIE-Ansatz, als auch in der systemtheoretischen Didaktik vorkommen. Das sind zum Beispiel: Lernziele, die Auswahl von Medien oder die Bestimmung des Endzustandes. An dieser Stelle alle ähnlichen Elemente aufzuzählen, erachte ich nicht unbedingt als notwendig. Viel wichtiger sind sind in meinen Augen die Differenzen zwischen den zwei Systemen. Diesen Unterschieden will ich mich im folgenden widmen. Das Planungssystem der systemtheoretische Didaktik ist insgesamt viel komplexer als die ADDIE- Rahmenkonzeption. Das kommt daher, dass es in die verschiedenen Teildisziplinen der Didaktik eingebettet ist. „Zu den vorgedachten Wirkungen des Unterrichts, wie sie im ideologisch- didaktischen Teilbereich erarbeitet werden, müssen Erscheinungsformen des Unterrichts geschaffen werden, die mit den Erkenntnissen des wissenschaftlich-didaktischen Teilbereich übereinstimmen“ (König&Riedel, 1971). Alle Schritte der Planung lassen sich aus den Funktionen der Unterrichtssituation (wissenschaftlich-didaktischer Bereich) und den Zielsetzungen (ideologisch-didaktischer Bereich) ableiten. Deshalb, und das ist ein weiterer Unterschied, ist die systemtheoretische Didaktik sehr präzise und eindeutig. Zum Beispiel werden Unterrichtsentwürfe,bis hin zur Bestimmung von Operationen, geplant. Es geht also sehr viel detaillierter zu als bei dem ADDIE-Modell. Der Instructional Designer hat ( im Gegensatz zum Lehrer) eine anderes Fundament, auf dem das Konstrukt Lernumgebung entsteht. „Instructional Design aims for a learner-centered rather than the traditional teacher-centered approach to Instruction, so that effective learning can take place. This means that every component of the instruction is governed by the learning outcomes, which have been determined after a thorough analysis of the learner's needs“ (McGriff, 2000) Aus dieser Beschreibung von Instructional Design leite die wichtige Erkenntnis ab, dass eine Bedarfsanalyse vor der gesamten Planungssequenz unabdingbar ist. Zum einen wird nach einer derartigen Analyse klar, ob es überhaupt nötig ist, eine Lernumgebung zu designen, zum anderen ermöglicht gerade die Erstellung eines „learner profile“ eine passgenaue Arbeit. Alle weiteren Schritte (z.B. Festlegung von Lernzielen) bauen auf dem Ergebnis der Analyse-Phase auf. Der Unterschied zur

systemtheoretischen Didaktik ist, dass dort keine ernst zu nehmende Analyse der Lernenden stattfindet. Vielmehr wird in der ersten Phase der systemtheoretischen Didaktik der Lerngegenstand meines Erachtens recht willkürlich festgelegt. Da sich „die übrigen Wirkungsfelder nicht unabhängig von bestimmten Objekten planen lassen“ (König&Riedl, 1971) , kann es in der Praxis zu Problemen kommen. So wird beispielsweise die Bestimmung eines Instruments zur Messung von Anfangs- und Endzustand erst als letzter Planungsschritt unternommen. Dabei kann es in der Realität aber zu großen Differenzen zwischen diesen Zuständen kommen und dann ist die gesamte Planung dahin.

Eng damit verknüpft ist außerdem die Evaluation. Auffällig ist nämlich, dass die formative Evaluation bei dem systemtheoretischen Planungsmodell fehlt. Es sind also keine Korrekturen innerhalb der einzelnen Planungsphasen möglich. Dennoch ist das systemtheoretische Planungsmodell nicht gänzlich uninteressant für einen Instructional Designer. Gerade der strukturierte Aufbau kann, insbesondere im Bereich des Designs und Developments, Hilfestellung leisten. Hier gibt das systemtheoretische Planungsmodell der Didaktik Auskunft über die Zusammenhänge von Lerngegenstand, Lernziel, und Zielerreichung, indem alle Planungsschritte präzise beschrieben werden. Vom ADDIE-Modell würde ich die Analyse-Phase sowie die (formative) Evaluation zum Planungsmodell der systemtheoretischen Didaktik hinzufügen, da sie dadurch kompletter wäre. Da die Unterrichtskonstruktion sowieso schon lange dauert und das Modell in der Praxis nicht tauglich erscheint, könnte man diese zwei zusätzlichen Planungsschritte mit Sicherheit in Kauf nehmen.

SWOT-Analyse

ADDIE

Planungsmodell systemtheoretische Didaktik

Stärken

  • Effektiv

  • problemorientiert

  • lernerorientiert

  • flexibel

  • korrigierbar (formative Evaluation)

  • Sehr präzise

  • sehr ausführlich

  • in sich schlüssig

Schwächen

  • unpräzise

  • Keine Analyse-Phase

  • keine Evaluation

  • willkürliche Auswahl von Lerngegenständen

Chancen

  • Auf alle Lehr-Lern-Situationen anwendbar

  • Auch für Anfänger nutzbar

Risiken

  • Fehler in der Durchführung

  • Verständnisfehler

  • immenser Zeitaufwand


Quelle: König, E., & Riedel, H. (1971). Unterrichtsplanung 1.
Konstruktionsgrundlagen und -kriterien. Weinheim und Basel: Beltz.


Abschließend möchte ich noch drei konkrete Beispiele für die Anwendung der ADDIE-Rahmenkonzeption geben, die ich im Internet gefunden habe:

1. Mein erstes Beispiel ist busuu.com. Das ist eine Website, um Sprachen zu lernen. Zu jeder Sprache gibt es Kurse auf unterschiedlichem Niveau (A1-B2). Die Kurse bestehen aus mehreren Lektionen, die sich wiederum in verschiedene Aufgabenbereiche untergliedern. Es gibt Aufgaben zum Textverständnis, zum Schreiben von Texten zu den Vokabeln und die Möglichkeit per Chat mit Muttersprachlern zu kommunizieren. Des weiteren hat die Webseite eine Punktesystem. Für Korrekturen oder ähnliches erhält man Punkte (busuu-berrys), die man in seinem „Sprachgarten“ für allerlei Zubehör ausgeben kann.

Ich denke, dass hier ADDIE zum Einsatz gekommen sein könnte. 1. Analyse: Es gibt sehr viele Menschen, die sich für fremde Sprachen und Kulturen interessieren. Problem ist, dass Reisen in andere Länder über einen längeren Zeitraum, um die Sprache zu lernen, für die Mehrheit der Menschen nicht möglich ist und Sprachkurse sehr teuer sind. Außerdem lernt man Sprachen lernt gut bei Muttersprachlern.

2. Design: Gelernt werden soll in den Online-Kursen. Zuerst die Vokabeln, dann Text lesen und Fragen beantworten, dann eigenen Text schreiben und schlussendlich mit Muttersprachlern sprechen. 3. Development: k.A. 4. Implementation: Die Website hat auch jetzt noch eine Feedback-Funktion. So heißt es z.B.

unter dem Punkt FEEDBACK: „Wir verbessern ständig das Angebot. Wir freuen uns sehr über Dein Feedback! Bitte lass uns wissen, falls Du einen Fehler entdeckst oder Verbesserungsvorschläge machen möchtest. Du kannst uns aber auch nur mitteilen, wie Du busuu.com magst!"

5. Evaluation: Innerhalb der Lektionen gibt immer wieder mal Zwischentests und einen Abschlusstest. Mein zweites Beispiel für die Umsetzung von ADDIE ist eine Lernplattform der PH-Freiburg. Unter https://art.ph- freiburg.de/na/Psychologie gibt es mehrere Online-Kurse im Bereich Psychologie. Diese sind begleitend zu den Präsenzveranstaltungen zu absolvieren (ist Voraussetzung um an der Prüfung teilnehmen zu können).

1. Analyse: Es werden immer mehr unwissende Studenten und gleichzeitig hat die Universität ein sehr geringes Budget. Gleichzeitigkönnen die Studenten immer besser mit Computern umgehen und man erreicht alle auf einmal, ohne 100 Skripte drucken zu müssen. Zudem bietet das Online-Angebot die Möglichkeit einer freien Zeiteinteilung.

2. Design: Die Studenten sollen mit Hilfe der Online-Kurse alle Inhalte der Vorlesung „Einführung in die pädagogische Psychologie“ nacharbeiten können. Die Kurse sind so aufgebaut, dass man Texte liest und dann verschiedene Aufgaben dazu bearbeitet. 3. Development: Zusammenarbeit der Dozenten mit Informatikern? 4. k.A. 5. Man erhält bei jeder Aufgabe Feedback und einen Stand zu wie viel Prozent man alle Aufgaben des jeweiligen Kurses richtig beantwortet hat. Zudem gibt es, wenn ich mich recht entsinne, einen Evaluationsbogen am Ende des Semesters. Mein drittes Beispiel ist http://www-de.scoyo.com/, eine Lernplattform für Kinder mit allen Fächern der Klasse eins bis sieben. Die Plattform gilt unter Studenten des Faches ID als Paradebeispiel für eine Lernumgebung, die nach der ADDIE- Rahmenkonzeption erstellt wurde. 1. Analyse: Kinder wachsen mit Computern auf und benutzen sie auch gerne. Warum also keinen Online-Nachhilfelehrer?! 2. Design: Es wird nach dem Prinzip „Verstehen, Üben, Testen“ gelernt.3. Development:HerstellungeinerMultimedialen Lernumgebungen. 4. Eltern können ihre Kinder für einen monatlichen Geldbetrag bei scoyo anmelden. 5. Scoyo ähnelt in dieser Hinsicht einem Überwachungsstaat. Die Eltern haben nämlich jederzeit Zugang um den Lernerfolg ihrer Kinder zu messen. Zudem gibt es eine Feedback- Funktion, die allerdings auch zu Werbezwecken eingesetzt wird: Ana Pandza Großmutter aus Hamburg "Mit scoyo habe ich meiner Enkelin erstmals ein Geschenk gemacht, das nicht nur ihr gefällt, sondern auch ihren Eltern. Als Großmutter liegt man da ja wahrlich nicht immer richtig. Meine Tochter berichtet mir, wie häufig sie scoyo nutzen. Ich freue mich darüber sehr."

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